Burnout-Experte Erich Scheibli
Das geforderte Tempo, die Anforderungen und die Intensität bei der Arbeit steigen – Burnout und Depressionen können Folgen davon sein. Gemäss Gesundheitsförderung Schweiz vernichtet Stress jährliche Leistungen im Wert von rund 7,6 Milliarden Franken. Burnout-Experte Erich Scheibli über erste Anzeichen und Präventionsmassnahmen.
Herr Scheibli, der Termindruck in der Berufswelt – auch im Autogewerbe – wächst. Die Ressourcen der Mitarbeitenden bleiben aber immer gleich. Ist dieses Ungleichgewicht eine Erscheinung der heutigen Zeit?
Erich Scheibli, Vorstandsmitglied des Schweizer Expertennetzwerks für Burnout SEB und Leiter Care Management der Swica Krankenversicherung:
Ja das ist so. Unser Wirtschaftswachstum verdanken wir unter anderem auch höherer Produktivität, was den Druck auf die Mitarbeiterressourcen erhöht. Umso wichtiger ist es, diese Ressourcen möglichst zielgerichtet einzusetzen und Prozesse kontinuierlich zu optimieren. Klar, spielt da die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Aber ich denke, gut funktionierende motivierte Teams tragen ebenso zur besseren Produktivität bei. Dazu sind die Führungskulturen der Unternehmen zu überprüfen und der zunehmend komplexen und schnelllebigen Zeit anzupassen.
Wann ist es «bloss» Stress, wann bereits ein Burnout?
Stress kennen wir alle und das gehört zu unserem Leben. Hält die Stressbelastung länger an, entwickelt sich über einen fortlaufenden Prozess eine akute Risikosituation, weshalb der Übergang von Stress zu Burnout fliessend ist. Es droht eine Schädigung unseres Nervensystems, eine Erschöpfungsdepression oder auch eine Angsterkrankung. Burnout-Betroffene sollten so rasch als möglich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Wie erkennt man ein sich anbahnendes Burnout?
Ein sich anbahnendes Burnout wird zunächst vom Umfeld, in der Regel aber nicht vom Betroffenen selbst wahrgenommen. Es zeigt sich bei den Betroffenen eine negative Wahrnehmung der Umwelt. Die Person reagiert schnell gereizt und scheint eine zunehmend «dünne Haut» zu haben. Auch ist oft ein sozialer Rückzug zu beobachten. Wichtig ist, dass das Umfeld im Beruf oder privat die betroffene Person darauf anspricht, diese «an die Hand nimmt» und motiviert, so rasch als möglich ärztliche Hilfe oder eine Beratung durch eine Fachperson in Anspruch zu nehmen.
Welche Massnahmen können Betriebe treffen, um ihre Mitarbeitenden vor einem chronischen Erschöpfungszustand zu schützen?
Das Thema «Gesundheit der Mitarbeitenden» und damit das betriebliche Gesundheitsmanagement soll im Unternehmen als fester Bestandteil verankert sein. Dazu bieten wir als Krankenversicherungs-Unternehmen verschiedene Angebote zur Unterstützung an. Ebenso braucht es eine transparente und lösungsorientiere Führungskultur. Zum Beispiel gehören Konflikte zu unserem Arbeitsalltag und erfordern die Aufmerksamkeit von Führungskräften und Mitarbeitenden. Konflikte, die über einen längeren Zeitraum nicht gelöst werden, können ein Auslöser für ein Burnout sein. Auf der anderen Seite ist Burnout-Prävention nicht nur Aufgabe der Arbeitgeber. Auch Mitarbeitende sollen auf ihre Gesundheit achten und für ausreichende Erholung und Ausgleich im Privatleben besorgt sein.
Führungspersonen sind besonders von Burnout betroffen. Meist erkennen diese die Signale nicht oder scheuen sich davor, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was können Führungskräfte tun?
Für Führungskräfte ist das tatsächlich anspruchsvoll. Sie wagen sich nicht, das Thema mit ihrem nächsthöheren Vorgesetzten anzusprechen. Burnout wird im betrieblichen Umfeld nach wie vor als Schwäche und ein Versagen angesehen. Betriebe können ihren Mitarbeitenden eine externe Mitarbeiterberatung anbieten. Dort erhalten sie bei Bedarf anonym rasche Unterstützung und Hilfe.